5.08.2024

Wahrnehmungstäuschung im Supermarkt

Farbassimilation macht unreife Orangen appetitlicher – Konfetti-Illusion mit erstaunlichen Effekten

 

 

 

 

Unreife grüne Orange im orangefarbenen Netz (links) und hinter einem sogenannten „Munker-Netz“ (rechts).
Fotos: Karl R. Gegenfurtner

Was sich im Obst- und Gemüsehandel längst herumgesprochen hat, steht offenbar auf einer soliden wissenschaftlichen Grundlage: Früchte verkaufen sich besser,
wenn sie in einem Netz stecken, dass die Farbe von perfekten Exemplaren ihrer Sorte trägt. Dahinter steht eine Wahrnehmungstäuschung, die als so genannte Farbassimilation
oder Konfetti-Illusion bekannt ist: Objekte nehmen dabei anscheinend den Farbton eines darüber gelegten Musters an. Das konnte Prof. Dr. Karl Gegenfurtner,
Wahrnehmungspsychologe der Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU), in einem kurzen Artikel in der Zeitschrift „i-Perception“ belegen.

Anlass für die kleine Studie waren eigene Erfahrungen beim Kauf von angeblich reifen Orangen im Supermarkt. Dass die Früchte tatsächlich eher grünlich schimmerten,
fiel Gegenfurtner erst zuhause auf, als er sie aus ihrem orangefarbenen Netz befreite. Nach der anfänglichen Enttäuschung war das Interesse des Farbforschers geweckt.
Um auszuschließen, dass der beobachtete Effekt nur auf Reflexionen zwischen dem Netz und der Frucht zurückzuführen ist, stellte er das Obstnetz grafisch nach und
legte die Orange hinter ein so genanntes Munker-Netz (benannt nach dem Farbforscher Hans Munker) mit orangefarbenen Linien. Auch hier verschwindet der grünliche
Farbton anscheinend.

„Ich schließe daraus, dass die Farbassimilation allein eine starke Auswirkung auf das Erscheinungsbild der Farbe hat“, sagt Gegenfurtner.„Eine große Freude für den
Farbwissenschaftler – ein trauriger Moment für den Verbraucher!“

 

Version der Konfetti-illusion mit den Gesichtern der Wissenschaftler Hermann Helmholtz, James Clerk Maxwell und Thomas Young.   Grafik: Karl R. Gegenfurtner

Um zu zeigen, wie stark die dahinterstehende optische Täuschung sein kann, demonstrierte Gegenfurtner zudem die Konfetti-Illusion mit den Gesichtern der drei Begründer
der trichromatischen Farbtheorie (Hermann von Helmholtz, James Clerk Maxwell und Thomas Young). Der Effekt ist verblüffend: Die neutral gefärbten Gesichter erscheinen
abhängig von dem Streifenmuster entweder grell eingefärbt bzw. in der Schwarzweiß-Variante sehr dunkel oder sehr hell – und das, obwohl sich an der Farbe der Gesichter
nichts ändert.

 

Publikation

Gegenfurtner, K.R. (2024). Perceptual ripening of oranges. i-Perception, 15(3), 1-5 https://doi.org/10.1177/20416695241258748 

 

Weitere Informationen

Prof. Dr. Karl R. Gegenfurtner ist beteiligter Forschender im Campus-Schwerpunkt „Geist, Gehirn und Verhalten“. Menschliches Verhalten in gesunden sowie psychiatrisch und neurologisch erkrankten Personen zu erklären und die Funktionsweise des Gehirns zu verstehen ist das zentrale Ziel der gemeinsamen Forschungsaktivitäten der Forschenden im Campus-Schwerpunkt „Geist, Gehirn und Verhalten“.

 

Kontakt

Justus-Liebig-Universität Gießen
Prof. Dr. Karl R. Gegenfurtner
Allgemeine Psychologie
E-Mail: gegenfurtner@uni-giessen.de

 

Links

Originalpressemitteilung

sage.altmetric.com

Besprechung auf Spektrum